Bundesverdienstkreuz Horst Buchmann
Bundesverdienstkreuz Horst Buchmann
 

Bundesverdienstkreuz für unseren Vorsitzenden Horst Buchmann

 

 

 

Unserem Vorsitzenden und Initiator des Vereins Horst Buchmann (†) wurde vom Bundespräsidenten das "Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande des Verdienstordens" verliehen. Staatssekretär Volker Schebesta überreichte das Verdienstkreuz am 8.9.2017 in Lahr und lobte Horst Buchmann als „hervorragenden Botschafter Deutschlands“. Mit dem Verein Kinderrechte Afrika e. V. engagierte sich dieser mit zahlreichen Projekten und Initiativen für Menschen in Not lange bevor sich die Politik für Fluchtursachen interessierte.

Anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz blickt Horst Buchmann auf seine 45-jährige Afrikaerfahrung zurück. Im Interview spricht er über seine Motivation, richtungsweisende Erlebnisse und die Anfänge des Vereins Kinderrechte Afrika e. V.

Dankesrede zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens

 

 

 

 

 

 

Von Horst Buchmann

im Pflugsaal der Stadt Lahr/Schwarzwald

am 8. September 2017

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Schebesta,

sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Schöneboom,

sehr geehrter Herr Altoberbürgermeister Dietz,

sehr geehrte Herren Bundestagsabgeordnete  Weiss und Dr. Fechner,

sehr geehrte Damen und Herren vom Gemeinderat  Lahr,

liebe Ehrenvorsitzende von Kinderrechte Afrika, Prof. Peter Stingl und Lothar Hainz,

liebe Mitglieder,  Kolleginnen und Kollegen,

liebe Fördermitglieder und Unterstützer des Vereins,

liebe Frau Dr. Bertle, lieber Herr Dr. Bertle,

sehr verehrte Gäste,

liebe Anna-Lena Faißt,

liebe Familie.

 

„Wir stehen alle auf den Schultern eines Anderen“. Robert Schumanns Erkenntnis will heißen für mich: ohne die Unterstützung und Motivationsschübe, die ich seit jungen Jahren durch eine Vielzahl von Menschen erhalten habe, wäre mein Leben mit hoher Wahrscheinlichkeit in ganz anderen Bahnen verlaufen.

 

Es sind immer Schlüsselerlebnisse, die tiefe Prägungen hinterlassen, es sind besondere Ereignisse und Begegnungen mit Menschen, die richtungsweisend werden. Ich will mit Ihnen zwei solcher Begegnungen teilen. Sie haben mich als 17jährigen tief beeindruckt. Und noch heute wirken Sie nach auf den 70Jährigen, der vor Ihnen steht.

 

Sicher können sich die Älteren unter Ihnen noch allzu gut erinnern an eine der großen Aufgaben und Herausforderungen der Nachkriegszeit:  die Wiedergutmachung. Nach der Barbarei des NS Regimes wollte ich, wie viele andere auch, meinen Beitrag zur Wiedergutmachung an unserer Schuld an den Opfern des Nazi Regimes leisten.

 

Dazu bot sich Gelegenheit mit einem europäischen Freiwilligendienst. Die Aufgabe: jüdische Kinder aus ärmlichen Verhältnissen aus dem East End Londons während der Sommerferien zu betreuen.

Mit meinem alten Fahrrad ohne Gangschaltung von der Pfalz  nach England zu fahren, schien mir dann doch ein zu gewagtes Unterfangen. Also kaufte ich mir von meinem ersparten Taschengeld ein gebrauchtes Moped für 80 DM. Weit kam ich damit nicht. Schon am 3. Tag war’s zu Ende. Der Motor war hin, die letzten Kilometer musste ich mein Gefährt zu einer kleinen Werkstatt in einer nordfranzösischen Stadt schieben. Die Diagnose war klar und eindeutig. Kolbenfraß. Keine Ersatzteile. Kein Weiterkommen.

Da stand ich nun am Abend, mutterseelenallein, niedergeschlagen und mit holprigem Französisch. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.  Der Werkstattbesitzer war einer jener freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die einem schnell momentanes Elend vergessen lassen. Er lud mich ein, in seinem bescheidenen Heim zu übernachten. Die Tochter des Hauses musste dafür ihr Zimmer räumen. Gemeinsam aßen wir zu Abend. Todmüde ging ich danach zu Bett. Kurz darauf klopfte es an meiner Tür. Es war mein Gastgeber. Wortlos krempelte er das Hemd am Unterarm hoch. Zum Vorschein kam -  eine aufgebrannte KZ Nummer. Er hatte als polnischer Jude das KZ Grauen überlebt und war dann nach Frankreich immigriert.

Ein großes Zeichen der Versöhnung! Hilfe und Gastfreundschaft für einen jungen Deutschen aus einem Volk, das unsägliches Leid über andere gebracht hatte.

 

Am nächsten Morgen entschloss ich  mich notgedrungen per Anhalter weiter zu reisen. Mit einem Tag Verspätung erreichte ich mein Ziel in Südengland. Die Kinder erwarteten mich schon. Und mich erwartete ein zweites Schlüsselerlebnis.

Es wurde eine bereichernde Zeit, zum ersten Mal auch im Kreise von europäischen Freiwilligen aus Italien, Frankreich, Schweden, Schottland und Polen, die sich gemeinsam um jüdische Kinder sorgten, unterstützt von deren Lehrer, einer großen Persönlichkeit und einem gütigem Menschen.

Am Ende meines Aufenthalts sagte mir ein 7jähriger Junge mit dem schönen Namen Luther als ich ihn auf einem Spaziergang an der Hand über eine belebte Straßenkreuzung führte: „You are a good German“.

Solche Erfahrungen und menschliche Begegnungen prägen ein junges Leben, werden zum Auftrag und zur künftigen Verpflichtung.

 

Bald folgte noch ein weiteres einschneidendes Erlebnis. Ich war begeisterter Germanist und Anglist, hatte Glück und bekam ein Stipendium für ein Kurzstudium am Shakespeare Institut in Bridgeport, Conn. Als einer der Professoren über „food imagery in Shakespeare“ dozierte, also etwa die Bildersprache Shakespeares über das Essen, kam es zu einem Bruch mit einem möglichen literarischen Zukunftsentwurf.

Für mich wurde klar, dass mein Weg ein anderer sein musste. Es kam mir vor, wie eine Verschwendung unserer Talente, sich mit solchen Themen zu befassen, während Menschen an Hunger starben. Es galt nachzudenken und zu handeln, wie wir den Hunger, die Krankheiten, die Armut und die Ungerechtigkeiten in  unserer Welt, wenn nicht abschaffen, so doch eindämmen können.

 

Das brachte mich dann nach Afrika, einen Kontinent, dessen Menschen ich begann, mir vertraut zu machen. „Du bist zeitlebens verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast“. Diese Erkenntnis St. Exupérys, einem Vorbild der jungen Jahre, wurde gewissermaßen zum Auftrag für mein ganzes Erwachsenenleben. Ja, vertraut durfte ich mir Afrika machen in 45 Jahren, mit über 200 Reisen dorthin, zunächst als junger Entwicklungshelfer bei der Leprabekämpfung und dann im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Inzwischen bin ich darüber so alt geworden, dass ich als  Zeitzeuge gelten darf.

Ich durfte ein heiteres, freundliches und so vielfältiges Afrika kennenlernen und Menschen, die mit großer Stärke und Würde schwierigste Herausforderungen meisterten.

 

Ich musste aber auch Armut und Elend erleben. Begegnungen mit Menschen, insbesondere mit Kindern auf der Schattenseite haben sich dabei tief eingeprägt. Z. B. mit Leprakranken, grauenvoll verstümmelt und von der Gesellschaft ausgestoßen. Mit Kindern, die keine Kindheit haben durften, die sich im täglichen Überlebenskampf auf der Straße durchschlagen mussten. Einigen von ihnen bin ich begegnet auf Polizeistationen oder in Gefängnissen. Sie waren in ihrer Notsituation mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder wurden Opfer staatlicher Willkür und unverhältnismäßiger Repression.

Ich bin Kindersoldaten begegnet, in Gefängnissen und an der ehemaligen Front, Kinder, die oft direkt aus der Schule von erbarmungslosen Milizen zwangsrekrutiert und zum Brandschatzen, Vergewaltigen und Töten abgerichtet wurden.

Und immer hat mich bewegt, wie diese Kinder, die Opfer brutalster Gewalt oder Ausbeutung wurden, meist fähig waren, Schmerz und Leid wegzustecken und sich dem Überleben zu stellen.  Menschlichkeit und Hilfe zauberte vielen dieser Kinder  wieder ein Lachen ins Gesicht.

 

Sie verstehen vielleicht, warum ich immer skeptisch war, was Entwicklungsideologien und -theorien angeht.  Ich habe ihnen misstraut, weil sie aus meiner Sicht an der komplexen afrikanischen Wirklichkeit vorbeigehen. Im Übrigen: „Ideologien kann man nicht essen“.

 

Es gibt aber dennoch so etwas wie einen Leitsatz für mein entwicklungspolitisches Streben und  Handeln. Er hat sich für mich als unerschütterlich und  immer gültig erwiesen. In Abwandlung eines Postulats aus dem Brechtschen Galilei zur Verantwortung des Wissenschaftlers möchte ich das so formulieren: „Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Entwicklungszusammenarbeit darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern“. Die Mühseligkeit der menschlichen Existenz erleichtern. Darum muss es gehen!

 

Später kam dann noch durch mein Engagement für die Umsetzung von Kinderrechten als Richtschnur für unser Handeln das Wohl des Kindes, notleidender Kinder in Afrika, hinzu.

„Die Menschheit schuldet den Kindern das Beste, was sie zu geben hat“, heißt es in der Präambel der Erklärung der Rechte des Kindes vom 20. November 1959 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Sicher, das sind Ziele, Postulate wie Fixsterne, die wir zwar nie erreichen werden, sie dienen uns aber als Orientierung für unser Handeln.

 

„Immer und überall Dank sagen“. Dieses Wort Chestertons auf einer Postkarte, einem Geschenk von meiner Patentante für den gerade eingeschulten Buben, prägte ebenfalls mein Leben. Denn es gab genügend Grund zur Dankbarkeit.

Ich bin dankbar für so vieles an reichen Erfahrungen, für die Chancen, die sich mir boten, dankbar für manchen Erfolg, dankbar aber auch - im Rückblick -  darüber, „dass nicht alle Blütenträume reiften“.

So will ich - auch heute- Ihnen allen danken, dass Sie diesen Ehrentag mit mir teilen und zum Teil lange Wege aus Österreich, Frankreich und Bayern auf sich genommen haben.

Ich danke allen, die so freundlich meiner gedachten und mich für diese hohe Auszeichnung vorschlugen.

Ich danke der Stadt Lahr für die großzügige  Ausrichtung dieser Feierstunde.

Ich danke der Musikschule Lahr und unserer wunderbaren jungen Künstlerin Anna-Lena Faißt für die musikalische Umrahmung.

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Schebesta, Ihnen lieber Herr Weiss und Ihnen Herr Dr. Fechner sowie meinen treuen Weggefährten Peter Stingl, Lothar Hainz und Klaus Sänger für die anerkennenden Worte. Sie haben mich sehr berührt.

Ich danke all den Freunden und treuen Begleitern, den Mitgliedern, Kolleginnen und Kollegen sowie den Unterstützern unseres Vereins Kinderrechte Afrika, deren Hilfe und Ansporn so vieles in meinem Leben möglich machte.

Ich danke meiner Familie, dass sie mein Engagement mitgetragen und dabei viele Belastungen ertragen hat, wenn Familienbelange zurückgestellt werden mussten.

Ich danke einem gnädigen Gott. „Er führte mich hinaus ins Weite und machte meine Finsternis hell“.

So  freue ich mich über diese Anerkennung und bin stolz auf unser Land, das solches Engagement für ferne Nächste wertschätzt.

 

Dergleichen Anerkennung geben einem, geben mir – um ein rückblickendes Wort Goethes zu gebrauchen – „das frohe Gefühl, nicht umsonst gelebt zu haben“.

 

Herzlichen Dank!

Titelbild: Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Horst Buchmann (hier mit Staatssekretär Volker Schebesta). © Endrik Baublies

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